Der Weg zur Jungjägerausbildung war eine spannende Herausforderung für meine Familie. Es begann damit, dass mein ältester Sohn vor fünf Jahren in meine Fußstapfen trat und seinen Jagdschein gemacht hat. Nun waren mein jüngster Sohn und meine Lebensgefährtin an der Reihe. Der Jagdschein ist jedoch nur der erste Schritt auf dem Weg zum Jäger.

Die Ausbildung beinhaltet eine Menge Theorie, aber natürlich auch praktische Übungen. Jagd ist für mich ein Handwerk und Jäger werde ich erst durch weiteres Lernen und Erleben draußen im Revier. Nach der bestandenen Prüfung überraschte mich ein wenig, dass die gleiche Frage, die mir vor über zwei Jahrzehnten gestellt wurde – “Bock schon tot?” – auch meinen beiden Jungjägern gestellt wurde. Ein guter Jäger zu sein erfordert viel mehr als das Erlegen von Wild.

Kitzrettung

Für uns begann es zunächst mit der Rehkitzrettung. Es war die passende Jahreszeit, als sie ihren ersten Jagdschein lösten und die Rettungsaktion bereits in vollem Gange war. Tag und Nacht standen sie an meiner Seite, um gemeinsam Kitze vor dem Mähtod zu retten. Dadurch wurde die Kitzrettung in diesem Jahr für uns alle etwas ganz Besonderes.

Es war nicht nur erfolgreich – insgesamt konnten wir 54 Kitze vor dem Tod bewahren – sondern es war auch das erste Mal, dass wir eine Wärmebilddrohne eingesetzt haben und umfangreiches Equipment dabei hatten, um die Rettung erfolgreich durchführen zu können. Funkgeräte, Arbeitshandschuhe, Aufbewahrungsboxen und vieles mehr gehörten dazu. Tag und Nacht waren wir im Einsatz, und es war eine großartige Möglichkeit für uns diesen Teil der Jagd intensiv zu unterstützen und zu erleben.

In den vergangenen Jahren hatten wir auch schon teilweise Erfolge erzielt, indem wir Hunde eingesetzt, die Felder abgesucht und Brandmelder verwendet haben, um zu verhindern, dass die Kitze zu Schaden kommen. Aber mit einem so großen Erfolg wie in diesem Jahr hatten wir nicht gerechnet. Doch es ging nicht nur darum, die Kitze zu retten. Wir führten auch viele weitere Arbeiten im Revier durch.

Arbeiten im Revier

Als Jäger muss man handwerkliches Geschick besitzen. In unserem Niederwildrevier kämpfen wir häufig mit dem Rückgang der Insektenpopulation. Wir versuchen dem entgegenzuwirken, indem wir Blühstreifen anlegen. Ich möchte euch dazu aufrufen, jede verfügbare Fläche dafür zu nutzen.

Das Beschneiden von Hochsitzen, das Anlegen von Pirschwegen und Schneisen sowie das Ausbringen von Salzlecken und Futterstellen zur Unterstützung unserer Fasane gehören ebenso zu unseren Aufgaben. Wir haben Fasanenfütterungen eingerichtet, die natürlich gepflegt und regelmäßig aufgefüllt werden müssen. Im Hochwildrevier versorgen wir das Wild mit notwendigem Salz.

Mit Hilfe einer Wildkamera überwachen wir, welches Wild das Salz am liebsten annimmt. Auf unserem Wildacker haben wir z.B. eine Fläche geschaffen, auf der wir gesalzene Eicheln aus dem letzten Jahr eingegraben haben.

Die Jagd auf Nutria

Neben all diesen Revierarbeiten geht es natürlich auch um die Jagd selbst, sei es mit Flinte oder Büchse, zum Beispiel auf Nutrias.

Diese invasiven Zuwanderer bereiten uns große Probleme in den Randbereichen der  Deiche, da sie große Schäden verursachen und diese Bereiche gefährden. Anhand von Spuren haben wir herausgefunden, wo sich die Nutria aufhalten, und so ging es abends mit der Flinte auf die Pirsch. Wir können Nutria mit Fallen bejagen, aber auch aktiv mit der Flinte oder kleinkalibrigen Büchse. Es erfordert viel Geschick, sich lautlos anzupirschen und schnell zu handeln.

Anders als man vielleicht denkt, kann man sich den Nutria tatsächlich auf sehr kurze Distanz nähern, und der Schrotschuss muss dann gut sitzen, da eine Streuung auf solch kurze Entfernung kaum vorhanden ist. Für jeden erlegten Nutria erhalten wir nicht nur eine Prämie vom Wasser-Verband, sondern es gibt auch einen leckeren Sonntagsbraten – wenn man sich denn traut.

Der Start als Jungjäger

An alle, die gerade ihren Jagdschein gemacht haben oder noch in der Ausbildung sind, möchte ich einen Rat geben: Beteiligt euch aktiv im Revier, denn dadurch werdet ihr schnell Kontakt zur örtlichen Jägerschaft bekommen. Sei es durch die Teilnahme an Bläsergruppen, Kitzrettungen oder Treffen mit den Jagdpächtern vor Ort. An die erfahrenen Jäger unter euch: Nehmt die jungen Jäger unter eure Fittiche und zeigt ihnen, wie es draußen im Revier wirklich funktioniert.

Seid nicht entmutigt, wenn nicht alles sofort perfekt läuft. Gebt ihnen eine Chance. Ihr habt nun die Möglichkeit, die Jäger von morgen zu prägen und ihnen eine gute Grundlage mit auf den Weg zu geben.

Leo auf Bockjagd

Natürlich ging es für uns auch auf die Bockjagd. Mein Sohn Leo, der gerade erst seinen Jagdschein gemacht hatte, durfte vorerst nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten im Revier unterwegs sein. Wir waren ungefähr zehn bis 14 Tage vor Beginn der Blattjagd zur ersten Pirsch. Leo entdeckte den vermeintlichen Bock zuerst. Ich schickte ihn voraus, um ihm das Gefühl der eigenen Verantwortung zu geben, und er rief mich dann zu sich. Gemeinsam sprachen wir das Reh als Bock an und versuchten ihn genauer anzusprechen.

Allerdings war er noch zu weit entfernt, um zu sagen, ob er ein Gabler oder ein Sechser war. Aber er war schwach im  Wildbret, und als er den Weg wechselte, stand der Wind perfekt. Also beschlossen wir, uns näher heranzupirschen! Der Bock stand nun zwischen zwei Hecken, welche einen hervorragenden Kugelfang boten. Leider war das Gras hier so hoch, dass der Bock fast die Hälfte der Zeit verdeckt blieb. Daher wechselten wir die Seite um eine Möglichkeit zur Schussabgabe zu bekommen. Der Wind passte  und wir kamen bis auf etwa 40 bis 45 Meter heran. Wir warteten, bis sein Haupt oben war und er breit stand, dann fiel der Schuss. Es bedurfte noch einer kurzen Suche im hohen Gras, aber es war ein perfekter Blattschuss. Ein hervorragender Treffer, und man konnte sehen, dass der Bock innerhalb von Sekunden verendet war. Alles klappte so, wie man es sich bei seinem ersten Stück wünscht. 

Ich war mindestens genauso stolz wie mein Sohn Leo. 

Waidmannsheil!